Hindukultur und Fussball
Tagwache war heute mal etwas später. Nach dem Frühstück hiess es einsteigen in den Bus und ab zum Markt von Jaffna. Hier konnten wir gut sehen, dass wir uns in der Gemüse- und Früchteregion Sri Lankas befinden. Weiter ging es per Bus zu weiteren Sehenswürdigkeiten aus der Kolonialzeit, wie das Fort, die Bibliothek und der Clock Tower. Etwas ausserhalb Jaffnas durften wir in einen Hindutempel, welcher zu Ehren des mächtigen Affen errichtet wurde, einer Zeremonie beiwohnen. Danach ging es ganz in den Norden hinauf ans Meer zu der heiligen Stätte der Hindus in Keerimalai. Dort durften wir zu sehen wie sich die Männer zur Reinigung im Meerwasser wuschen und sich Jugendliche in einem Meerpool mit einem unserer geschenkten Fussbälle vergnügten.
Nach dem Lunch ging es weiter zu einem grösseren Waisenhaus mit 120 Mädchen, welche wir nicht sehen durften (aus religiösen Gründen) und 64 Knaben. In einem Klassenzimmer, welches mit einem Wellblechdach versehen war, durften wir erfahren, dass die Kinder in den vielfältigsten Sachgebieten unterrichtet werden und welchen Job sie als Erwachsene ausüben möchten. Nachdem die Waisen uns ein tamilisches Lied vorgesungen hatten und wir ihnen ein typisch schweizerisches Volkslied vorgetragen hatten, konnten wir sie mit einem Satz Fussballtrikots, mehreren Fussbällen, Schreibblöcken und Schreibern ausstatten. Die Fussbälle wurden umgehend im Innenhof beim gemeinsamen Spielen ausgetestet.
Nach der kurzen Rückfahrt ins Hotel stand die individuelle Matchvorbereitung im Vordergrund. Um 18 Uhr standen alle in ihren roten Poloshirts bereit für den Abmarsch Richtung Stadion. Begleitet von der Polizei, tamilischen Musikern und der gegnerischen Mannschaft marschierten wir gemeinsam auf der Hauptstrasse ins Stadion von Jaffna, welches mehrheitlich als Cricketstadion genutzt wird. Dort angekommen, wurden wir von einer Delegation, inklusive des Polizeichefs vom Distrikt Jaffna herzlich empfangen. Nach der obligaten Inspektion des Spielfeldes ging es ab in die Kabine, wo wir mit einer feurigen Rede des Coachs auf das Spiel eingeheizt wurden.
Während des Einlaufens füllte sich die Haupttribüne stetig bis sie knapp voll war. Zusätzlich mussten sich die Zuschauer auch auf der tribünenlosen Gegengerade sowie hinter den beiden Toren im Gras verteilen. Nach dem offiziellen Einmarschieren der beiden Mannschaften aufs Feld stellte unser Captain dem Polizeichef jeden einzelnen Spieler und dessen Spielposition vor. Danach folgten mehrere Fotos mit dem Polizeichef und den beiden Teams.
Nun konnte das Spiel auf dem harten und holprigen Rasen starten. Die junge Auswahl Jaffnas legte gleich von Beginn weg ein hohes Tempo vor und gelangte nach gut 15 Minuten durch einen satten Schuss ins linke Eck aus 17 Metern in Führung. Wir liessen uns jedoch nicht aus unserem Konzept werfen und konnten den einten oder anderen Angriff lancieren.
Plötzlich erloschen einige Lichter der Flutlichtanlage. Der Schiedsrichter unterbrach das Spiel umgehend und wir begaben uns zu der Auswechselbank und konnten uns ein wenig erholen und etwas trinken. Die Temperatur betrug immer noch mehr als 25 Grad und es herrschte eine hohe Luftfeuchtigkeit. Nach Absprache der beiden Coachs und dem Schiedsrichter wurden die verbleibenden 20 Minuten der 1. Halbzeit wieder angepfiffen trotz 1/3 weniger Licht. Nach einem kurz ausgelösten Angriff um die 35. Minute herum, netzte unser Captain gekonnt ins gegnerische Tor ein. Die Jaffna Boys kamen noch einige Male vor unser Tor, jedoch ohne gefährlich zu werden.
In der Pause liess uns der Coach wissen, dass er mit unserer gezeigten Leistung zu frieden sei und wir weiter so kompakt spielen sollen.
In der 2. Halbzeit erhöhte die Jaffna Truppe den Druck auf unsere Defensive und kam einige Male zu Abschlüssen, welche entweder knapp am Tor vorbei gingen oder die Abwehr oder der Torwart abfangen konnten. Nach einem Angriff über unsere rechte Seite erzielte der kurz vorher eingewechselte Daniel Müller, alias Junior, in der 75. Minute das 2:1, welches frenetisch von den rund 2'000 Zuschauern gefeiert wurde. Unseren Vorsprung verteidigten wir mehr oder weniger souverän. Sie kamen zwar noch zu der einten oder anderen Chance, welche aber allesamt nicht zwingend waren. Nach dem Abpfiff waren alle erfreut über den hart erkämpften Sieg, jedoch auch erschöpft. Kaum war der Match abgepfiffen worden, wurden wir von den jungen männlichen Fans bestürmt, um Selfies mit uns tätigen zu dürfen. Nach diesem unvergesslichen „Selfiemarathon“ ging es noch auf dem Feld zu der Pokalübergabe, welche vom lokalen TV gefilmt wurde, wie auch der ganze Match vorher.
Erschöpft, aber überaus glücklich, ging es zurück ins Hotel, wo noch das einte oder andere Bier getrunken und das Spiel analysiert wurde.
Thomas Hofer (Torwart und ansonsten in der Berufsbildung der Versicherungsbranche tätig)