Die Augen lassen sich nach einem langen, intensiven und erlebnisreichen Vortag nur langsam öffnen. Man sagt ja, der Sonntag ist ein Ruhetag. Nicht bei den Mitgliedern von FOG. So wird (möglichst) pünktlich bei der Reception ausgecheckt (die Schlange beim Auschecken war noch nie so lang…ob es an der einen oder anderen grossen Mini-Bar-Rechnung liegt? ;-)

 

Die wichtigste und auch schönste Nachricht erreicht uns gleich zu Beginn: unserem Cyrille geht es besser und er kann mit uns die Weiterreise antreten. Nach den besorgten Gesichtern von gestern eine wunderschöne Nachricht für uns. 

 

Plötzlich gesellen sich mehr und mehr Leute zu uns in den Bus…unsere Delegation wird mit Mantu (was übrigens ungefähr übersetzt „Teigtasche“ heisst) und zwei weiteren Mitgliedern der „Mongolia Football Federation“ (MFF) ergänzt. Mantu spricht sehr gut Englisch (was unsere Kommunikationsprobleme in diesem schönen Land beheben sollte). Oder doch nicht? Mantu arbeitet für die MFF in der Kommunikationsabteilung. Wir sind über seine heisere Stimme allerdings überrascht (was schon bei einem Treffen vor ein paar Tagen der Fall war). Man muss seine Ohren gut spitzen, um alles zu verstehen, was Mantu von sich gibt…wir versuchen, den Grund herauszufinden. Liegt es an der extrem schlechten Luft in Ulaan Baator, leidet er an einer Erkältung oder sind die vielen Zigaretten an seinem Zustand schuld? Nur der monglische Buddha wird es wohl wissen… ;-)

 

Unser erster Halt wird uns zu einem staatlich geführten Waisenhaus führen. Während der Fahrt wird fleissig über die Strassenzustände philosophiert, geschlafen oder gejasst. Die Strassen werden immer holpriger…Vergleiche zwischen mongolischen und schweizerischen Reisebussen werden gezogen (ein Marti-Car würde hier wohl schon nach ein paar Minuten den Geist aufgeben ;-) Aber auch unsere Busfahrer „Dashgha“ bleibt nicht von Zwischenfällen verschont. Angekommen beim Waisenhaus flickt er kurzerhand und innert kürzerster Zeit einen Bus-Pneu. Für uns ohne Werkstatt unvorstellbar, für Dasgha eine Routine-Arbeit, eine Selbstverständlichkeit.

 

Die Zeit bis die Waisenkinder gegessen haben nutzen ein paar FOG-Mitgleider für einen Besuch bei einer nahegelegenen Jurte. Die schüchterne Jurten-Familie empfängt uns mit grossen fragenden Augen. Schnell merken sie jedoch, dass wir uns einfach nur gerne mit ihnen unterhalten möchten. Ein Fussball und feine Schweizer Schokolade dienen hier als Eisbrecher. Kurzerhand helfen wir beim Befestigen des Daches aus, jeder von uns packt mit an. Eine Jurte wird anscheinend viermal pro Jahr umgezogen. Ein von uns geschenktes Schweizer Sackmesser erfüllt hier seinen Zweck und wird vom Vater der Nomaden-Familie mit einem herzlichen Lachen entgegengenommen. Das jüngere Mädchen entpuppt sich als gute Kickerin (nicht alle von uns können nämlich mindestens viermal jonglieren ;-) Die kleinen Kinder werden für mögliche Fotos herausgeputzt, mit ein bisschen Wasser abgeduscht. Nun werden auch wir beschenkt. Die Jurten-Mutter taucht mit einem Sack voller kleiner weissen Essens-Bällchen auf. Was das wohl sein mag? Der Geruch von Käse macht sich breit…wir können den Geruch nicht eindeutig zuordnen. Um herauszufinden was es ist, hilft nur ein Biss in die undefiniebare kalte Masse. Überraschenderweise schmeckt sie süsslich…wir finden heraus, dass es Stutenmilch ist. Wär hätte das gedacht. 


In der Mongolei lebt ein Drittel der Menschen in Armut. Es herrscht Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und Unsicherheit. Weniger zu besitzen geht fast gar nicht. Diese Jurten-Familie wirkt trotzdem glücklich auf mich. Sie macht das Beste aus ihrer (aus unserer Sicht) hoffnungslosen Situation. Es ist für mich nicht das erste FOG-Projekt, trotzdem vergisst man - zurückgekehrt in der Schweiz - zu schnell, wie immens wir vom Glück bevorteilt worden sind. Wir sollten uns das immer wieder vor Augen führen und nichts als „Selbstverständlich“ ansehen.

 

Nun steht der Besuch des Waisenhauses an. Ein Klassenzimmer füllt sich nach und nach mit rund 70 Kindern…unser Präsident verzichtet bei der Vorstellungsrunde auf ein langes Gerede. Die Kinder sollen möglichst viel Zeit mit uns verbringen können. Auch uns geht es so…Bälle und Schreibmaterial werden verteilt, es wird gespielt und sehr viel gelacht. Die mitgebrachten Fussballtore werden mit straffen Torschüssen bombardiert…einige Kinder können sehr gut mit dem Ball umgehen. Kleine Kinder werden in die Luft „geschleudert“ und man wird mit einem herzhaften Schrei berührt. Der Abschied fällt schwer. Man merkt den Kinder an, dass ihnen eine gewisse Liebe und  Zuneigung fehlen. Das Bild brennt sich bei mir ein, wie die Kinder vor dem Car noch mit uns abklatschen und uns auf Wiedersehen sagen. Sie hätten wohl endlos lange mit uns weitergespielt. Wir auch…

 

Die Busreise Richtung Erdenet geht weiter. Viele von uns kennen die Dakar-Rally. Was aber unser Busfahrer zeigt, überbietet unsere Vorstellungen. Auf einer sandigen und nicht wirklich erkennbaren Strasse, werden sämtliche PKW‘s überholt oder ausgebremst. Ob wieder der Magen von Dasgah knurrt? ;-) Leider bleibt eine Stopp bei einem Supermarkt nicht ohne Zwischenfall. Die Mongolen sind eher kleingewachsene Leute, daher muss man auf tief gelegene Hindernissen achten. Eine Herausforderung deshalb für die eher gross gewachsenen FOG-Mitglieder. Somit kommt es wie es kommen muss…der Aussenspiegel des Cars wird prompt (wieder einmal) vom gleichen (ältesten) FOG-Mitglied gestreift -  eine weitere Kopfverletzung gesellt sich hinzu. Unsere Kathrin jedoch kann die offene Wunde professionell behandeln.

 

Weiter geht es mit der Busfahrt…die Landschaft wird immer grüner. Auch kleinere Flüsse sind zu sehen. Endlose Felder mit einem kitschigen Sonnenuntergang begleiten uns bis nach Erdenet…nach ca. 7 Stunden Fahrt freut sich jeder von uns dann auch auf das rechteckige Objekt genannt „Bett“.

 

Noch kein Feierabend aber für unseren Fahrer: Bis tief in die Nacht krüppelt Allrounder am linken Vorderrad - ohne elektronische Hilfsmittel, mit roher Kraft und mechanischem „Gschpüri“.

 

Und die Augen schliessen sich wieder, gefüllt mit vielen lebensvollen Erlebnissen.

P.S. Lösli-Preis des heutigen Tages 1x Puma Ball: Christophe Rong, 1984 Les Hauderes (Lösli verkauft durch Thomas Hofer). Gratulation!

 

(Autor: Gianni)